Eigene Gedanken

In dieser Rubrik möchte ich eigene Gedanken niederschreiben, die mir bei der Arbeit mit Klienten und in Familienaufstellungen begegnen.

 

Schicksal
In einer Radiosendung über künstliche Intelligenz sagte ein Forscher auf diesem Gebiet: "Um so mehr ich mich mit künstlicher Intelligenz befasse, um so mehr habe ich Respekt vor der natürlichen Intelligenz des Menschen".
Mir geht es mit dem Schicksal der Menschen so, welches in Aufstellungen sichtbar wird. Es ist beeindruckend, wie wir Menschen mit unserem Schicksal umgehen und welche Fähigkeiten wir herausbilden, um unser Überleben trotz der schweren Erlebnisse zu sichern. Die Aufstellungsarbeit macht mich demütig und dankbar.


Wertschätzung
Wertschätzung heißt, dass ich den anderen nicht abwerte oder kategorisiere, sondern ihn so annehme, wie er im Moment zu mir kommt. Wertschätzung ist eine der wichtigsten Methoden in der Therapie. Es ist eine innere Haltung, die der Therapeut einnimmt. Und das Gegenüber spürt es sofort. Ehrliche Wertschätzung wirkt heilend.


Eltern sein
Wir werden Eltern, weil durch uns ein neues Lebewesen in die Welt kommt. Eltern sein ist kein Verdienst, sondern eine Aufgabe, die uns das Leben stellt. Wenn wir uns dieser Aufgabe stellen, dann dürfen wir Liebe geben und nehmen und unser Leben findet darin einen Sinn. Ich denke dass es zu den schwierigsten aber auch anspruchsvollsten Aufgaben im Leben gehört, Kinder ins Erwachsenenleben zu begleiten und sie dann auch loszulassen in ihr eigenes Leben. Eigene Kinder konfrontieren uns mit unseren eigenen Schwächen, Unzulänglichkeiten und Grenzen. Oft werden wir unseren eigenen Ansprüchen als Eltern nicht gerecht, weil uns durch unsere eigene Biografie oftmals Grenzen gesetzt werden. Trotz dieser scheinbaren Einschränkungen können wir durch unsere Kinder über die Grenzen unserer eigenen Biographie hinaus wachsen. Und unsere Kinder machen es vielleicht genauso und wachsen auch über ihre eigene Biografie hinaus.

Wenn es uns gelingt, unsere eigenen Eltern anzunehmen und als die "richtigen" für unser Leben zu achten, dann sind wir viel freier für unser eigenes Leben. So lange wir noch von unseren Eltern etwas verlangen, das sie ja meistens gar nicht geben können, sind wir bedürftig und gefangen. Die wirkliche Versöhnung mit unseren Eltern macht uns frei für unser eigenes Leben.
 


Versöhnung
Die Versöhnung ist eine innere Haltungsänderung gegenüber einem anderen Menschen. Bin ich in einer unversöhnten Haltung, dann kann es sein, dass ich von dem anderen etwas erwarte, was ich meistens nie bekommen werde. Somit binde ich mich an ihn. Diese ungute Bindung bindet auch Lebensenergie, die mir abgeht. Wenn ich sage „der raubt mir meine Energie“, dann liegt es meistens an mir selbst, dass ich in einer unversöhnten Haltung bin. Wenn es mir nun gelingt, mich mit dem anderen zu versöhnen, dann kann ich los lassen und bin von der unguten Bindung befreit. Damit steht mir wieder mehr Lebensenergie zur Verfügung und es gibt dann auch keinen „Energieräuber“ mehr.

Was bedeutet nun Versöhnung? Versöhnung in einem Konfliktfall bedeutet, dass ich den eigenen Teil, den ich zu verantworten habe übernehme und den anderen Teil der Verantwortung beim Konfliktpartner belasse. Ich verzeihe nicht die Taten des Anderen, sondern ich belasse die Verantwortung dort wo sie hingehört und sehe auch, dass ein Teil der Verantwortung bei mir liegt. Ich spüre auch nochmal den Schmerz und vielleicht auch die Trauer, aber dann darf es gut sein. Das ändert meine innere Haltung und es kann innerer Frieden bei mir einkehren.

Anders ist die Versöhnung bei Kindern, denen Leid angetan wurde. Kinder sind abhängig und es trifft sie keine Verantwortung. Die alleinige Verantwortung trägt der Erwachsene. Oft kommen Erwachsene in die Therapie, denen als Kind Leid zugefügt wurde. Hier ist ein Satz zur Versöhnung sehr hilfreich der heißt: „Als ich Kind war, hast du mir sehr weh getan. Ich lasse die gesamte Verantwortung bei dir. Ich war damals nur ein Kind.“ Auch hier ist Schmerz und Trauer wichtig für die Verarbeitung.

Familienaufstellungen in der Gruppe als auch einzeln, sind eine sehr hilfreiche Unterstützung zur Versöhnung.


Innere Haltung

Was soll eigentlich ein therapeutischer Prozess in uns bewirken?

Das Ziel ist natürlich, dass wir uns verändern und unser Handeln neu ausrichten können. Aber das ist aus meiner Sicht erst der zweite Schritt. Der erste Schritt ist, dass wir unsere innere Haltung verändern. Diese drückt sich noch nicht in Handlung aus. Wenn wir die neue innere Haltung verinnerlicht haben, dann begegnen wir den Menschen anders und der andere spürt das und begegnet uns auch ganz anders. Diese Begegnung führt dann auch zu einer Veränderung in der zwischenmenschlichen Beziehung.
Eine neue gesunde innere Haltung kann liebevoll, distanziert, abgrenzend, wertschätzend, offen ... sein. Es gibt keine Regel wie eine neue innere Haltung sein muss. Wichtig ist, dass sie für mich der Situation angepasst stimmig, gesund und lebensfördernd ist.


Der Tod

In Aufstellungen kommt es immer wieder vor, dass der Tod repräsentiert durch einen menschlichen Stellvertreter aufgestellt wird. Menschen mit schwerer Krankheit haben oft eine Affinität zum Tod. Im Volksmud heißt es "ihn hat der Tod geholt". Aus Sicht der Aufstellungsarbeit ist es genau umgekehrt. Der Repräsentant des Todes fühlt sich immer sehr mächtig und sieht sich als Helfer und nie als Bedrohung. Er hat nie den Drang jemanden zu holen. Der Mensch muss zum Tod gehen; der Tod holt nie jemanden ab. Andererseits ist es für Menschen oft sehr schwer in den Tod zu gehen und vielleicht Erlösung für ihre Leiden zu erlangen. Meine Erfahrungen mit der Aufstellungsarbeit zeigen, dass es umso leichter ist in den Tod zu gehen (wenn die Zeit da ist), je mehr ich mit meinem eigenen Leben versöhnt bin, wenn ich "ja" sagen kann zum gelebten Leben. Auch wenn die Angehörigen loslassen können, unterstützt das ein sanftes Hinübergleiten ohne großen Todeskampf.